Brief von Erzpriester Radu Constantin Miron

Lieber Hans-Georg,

herzlichen Dank für Deinen Brief und insbesondere auch für die Zusendung des Buches „In alle Ewigkeit verdammt?“, in dem ich bereits begonnen habe zu schmökern.

Wie ich Dir bereits in meinem letzten Schreiben mitteilte, sind, was eine intensivere Beschäftigung der Bundes-ACK mit der Frage einer Bannaufhebung o. ä. gegenüber Martin Luther betrifft, die Meinungen im Vorstand eher zurückhaltend, weil man diese Frage wohl als ein primär bilateral katholisch-evangelisches Problem betrachtet.

Für mich selbst handelt es sich, wenn ich meine persönliche Meinung dazu äußern darf, allerdings eher um einen Vorgang, der in die – relativ neue – ökumenische Kategorie „Healing of memories“ gehört, deren Bedeutung deshalb auch über die bilateralen Beziehungen zweier Kirchen hinausgeht. Wir lernen in der Ökumene (immer noch!), wie solche Heilungsprozesse initiiert, begleitet, durchgeführt und am Leben erhalten werden können. Seitdem ich selbst bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes 2010 in Stuttgart Augenzeuge des damals proklamierten Heilungsprozesses zwischen Lutheranern und Mennoniten sein durfte, fasziniert mich dieser ökumenische Vorgang als solcher immer wieder neu. In diese Kategorie ordne ich also auch das vom Altenberger Ökumenischen Gesprächskreis erarbeitete Dokument und das o. a. Buch ein.

Sicher ist auch, dass es – nach Ekklesiastes – für alles seine Zeit gibt, besonders für die Versöhnung; die alten Griechen hätten wahrscheinlich vom Kairos gesprochen. Hier gilt es nun zu sehen, ob und wann dieser Kairos gekommen ist. Anders gesagt: in einer geschichtslosen Zeit denken viele Menschen, dass die Geschichte mit ihnen beginnt, und sind gar nicht daran interessiert den meines Erachtens notwendigen Blick in die Vergangenheit zu richten, bevor sie in die Zukunft schauen. Erstaunlicherweise ist dies sogar bei Theologen der Fall. (Nebenbei bemerkt ist dies ein Vorwurf, den sich für mich als orthodoxen Christen auch das Dokument „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ gefallen lassen muss.) Und gleichzeitig muss die legitime Anfrage gestattet sein, inwiefern eine Bannaufhebung o. ä. tatsächliche Impulse für die Ökumene des 3. Jahrtausends liefern kann.

Ich werde diesen und alle anderen „Heilungsprozesse“ im Auge behalten, konkrete Zusagen kann ich Dir allerdings nicht machen. Sei aber gewiß, dass jeder – auch noch so unbedeutende – Schritt der Versöhnung von mir Unterstützung finden wird.

Mit nochmaligem Dank grüße ich Dich
in ökumenischer Verbundenheit und Freundschaft

Dein
Constantin Miron

Erzpriester Radu Constantin Miron
Vorsitzender der ACK Deutschland