Pfarrer Dr. Hans-Georg Link
Köln, am Epiphanias-Fest, 6. Januar 2022
I. Ereignisse
Am 12. Januar 2022 werden die Lima-Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt 40 Jahre alt. Damals ereignete sich das „Wunder von Lima“, dass 120 evangelische, freikirchliche, katholische und orthodoxe Mitglieder der ökumenischen Kommission für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order) des Ökumenischen Rates der Kirchen einstimmig die drei Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt verabschiedeten, ohne Gegenstimmen und Enthaltungen.
In der darauf folgenden Lima-Dekade der achtziger Jahre erreichten die Erklärungen insgesamt eine Verbreitung von rund einer halben Million Exemplaren in über 30 Sprachen. 186 offizielle kirchliche Antworten wurden in der Reihe „Churches respond to BEM“ (Baptism, Eucharist and Ministry) veröffentlicht. Es gab zwischenkirchliche Vereinbarungen zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Altkatholischen, Evangelisch-methodistischen und Anglikanischen Kirche zur gegenseitigen Anerkennung und Einladung zur Teilnahme an Feiern von Abendmahl und Eucharistie. Mit der ökumenischen Abendmahlsfeier nach der so genannten Lima-Liturgie während der 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Vancouver 1983 und der 7. Vollversammlung in Canberra 1991, an der Tausende Delegierte aus evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirchen teilnahmen, erreichten die Lima-Erklärungen weltweite Bekanntheit und Anerkennung.
II. Inhalte
Die Tauferklärung spricht sich für die gegenseitige offizielle Anerkennungen der Taufe zwischen Kirchen aus (Z. 15). Kinder- und Erwachsenentaufe sind zwei „gleichberechtigte Alternativen“ (Z. 12 K). Die eine Taufe ist ein „Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren“ (Z. 6).
Die Erklärung zur Eucharistie überwindet frühere Konflikte über die Gegenwart Christi und das Opfer-Verständnis. (Z. 8,13) Sie betont das Einssein der „Teilhabenden mit Christus und mit den anderen… zu allen Zeiten und an allen Orten“: die Katholizität der Eucharistie (Z. 19). Sie unterstreicht die ethischen Herausforderungen der eucharistischen Feier „bei der Suche nach angemessenen Beziehungen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben“ (Z. 20). Sie zielt auf „ein größeres Maß an eucharistischer Gemeinschaft“ der Kirchen untereinander (Z. 33).
Die Erklärung zum Amt spricht sich mit Paulus (Galater 3,28) behutsam für eine „Zulassung von Frauen zum ordinierten Amt“ aus (Z. 18,54). Sie unterscheidet zwischen umfassender apostolischer Tradition und spezieller apostolischer Sukzession: „Es sollte…ein Unterschied zwischen der apostolischen Tradition der ganzen Kirche und der Sukzession des apostolischen Amtes gemacht werden“ (Z. 34 K). Die Amtserklärung wirbt für eine gegenseitige Anerkennung der ordinierten Ämter (Z. 51ff).
III. Auswirkungen, Konflikte und Vorschläge
Im Gefolge der Tauferklärung von Lima ist es zu gegenseitigen Tauf-Anerkennungen gekommen: 1996 im Rheinland zwischen der Evangelischen Kirche im Rheinland und den Bistümern Aachen, Essen, Köln, Münster und Trier; 2007 im Magdeburger Dom zwischen 11 orthodoxen, anglikanischen, evangelischen und katholischen ACK-Kirchen. Die „Genfer Liturgie“ von 1987 hat zur Ausbreitung von Taufgedächtnis-Gottesdiensten geführt. Der Johannestag am 24. Juni und der Tag der Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni eignen sich besonders für ökumenische Taufgedächtnis-Gottesdienste. Ungelöst ist der zum Teil blutige Konflikt zwischen reformatorischen und täuferischen Kirchen über die Säuglings- und Gläubigentaufe. Er sollte 500 Jahre nach der ersten Glaubenstaufe in Zürich im Jahr 2025 beigelegt werden.
Die Feier der Lima-Liturgie hat erheblich zu einem größeren Maß an eucharistischer Gastfreundschaft beigetragen. Nach der Orientierungshilfe der Deutschen Bischofskonferenz 2018 und dem Votum des Ökumenischen Arbeitskreises „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ 2019 ist die Zeit überreif für ein offizielles einladendes Wort der evangelischen und katholischen u.a. Kirchenleitungen an die Angehörigen der jeweils anderen Kirchen zur gegenseitigen Teilnahme an Abendmahls- und Eucharistie-Feiern.
Auf dem Hintergrund der Amtserklärung von Lima haben evangelische und anglikanische Kirchen in Meißen 1988 und Porvoo/Finnland 1992 ihre gegenseitige Anerkennung als Glieder der einen Kirche Jesu Christi ausgesprochen. Sie fehlt nach wie vor zwischen evangelischen und katholischen Kirchen. Auch die Frauen-Ordination in der Römisch-katholischen und die Papst-Anerkennung von evangelischen Kirchen sind ungelöste Probleme. Der Vollzug gegenseitiger Fußwaschung bei repräsentativen ökumenischen Zusammenkünften und Versammlungen ist ein wichtiges Zeichen der Bereitschaft zum Dienst aneinander und für andere statt bisheriger Macht- und Konkurrenzkämpfe. Diese ökumenische Zeichenhandlung trägt dazu bei, den Weg zur gegenseitigen Anerkennung von evangelischen und katholischen Kirchen im Jahr 2030 – 500 Jahre nach dem Augsburger Bekenntnis – zu ebnen. –
So haben die Lima-Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt bereits beachtliche Auswirkungen gezeitigt. Sie fordern nach 40 Jahren dazu auf, die noch ungelösten Konflikte zwischen den Kirchen entschlossen anzugehen. Das Jahr 2030 ist der geeignete Zeitpunkt, dass evangelische und katholische u. a. Kirchen sich gegenseitig als Glieder der einen Kirche Jesu Christi offiziell anerkennen. Die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen vom 31. August bis 08. September 2022 kann in Karlsruhe die Weichen für eine „Dekade der Versöhnung“ in den zwanziger Jahren stellen.
Nähere Ausführungen dazu in: Hans-Georg Link, Wann kommt das Gelobte Land? Lima-Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt werden 40 Jahre alt; KNA-ÖKI 1, 04. Januar 2022, Thema der Woche I-XII.